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Her mit der elektronischen Fußfessel 2.0

(CC-BY) dayataglance@flickr

Von Bernd Schreiner, stellv. Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei erschienen auf der Bundes-Website.

Da hat dieser stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Plickert, wirklich einmal recht. Ja, mit Hilfe gesammelter Kommunikationsdaten könne man nach einem Anschlag leicht feststellen, mit wem die Täter in den Wochen zuvor gesprochen, wo sich sich aufgehalten und welche Internetseiten sie besucht hätten. Damit wäre es dann auch möglich, die Struktur extremistischer Gruppen zu erkennen und gegen sie vorzugehen.

So einfach kann das mit der Vorratsdatenspeicherung sein, so einfach kann ermittelt werden. Genauso einfach könnte es sein, wenn alle Menschen einen GPS-Funk-Tracker tragen müssten oder wenn wir einfach alle Briefe, E-Mails und natürlich auch den gesamten Zahlungsverkehr komplett abspeichern. Die elektronische Fußfessel 2.0 für die Bürger würde die Nachforschungen für die Ermittlungsbehörden ganz einfach machen.

Verdammt nochmal, warum versteht ein Mensch in dieser Verantwortung nicht: Diese Methoden sind die Methoden eines Polizeistaates, nicht aber die einer freiheitlichen Demokratie! Warum muss ein Mensch in dieser Verantwortung diesen Stuss auch noch als Anheizer laut in den Medien verkünden?

Ich frage mich: Lernen die wirklich nichts dazu oder ist es ihnen einfach scheißegal?

Wir leben nicht in einem totalitären Nazistaat mit Blockwarten und Überwachungswahnsinnigen, die von jedem Menschen, jedem Bürger alles erfahren können dürfen. Noch – wenn es nach Plickert geht.

Nichts, aber auch gar nichts kann diese Totalüberwachung rechtfertigen und schon gar nicht ein Mordanschlag von Extremisten. Das Volk besteht zu mehr als 99,99% aus Nicht-Extremisten, aus dem berühmten unbescholtenen Bürger, dessen Recht auf unüberwachte Kommunikation, dessen Recht auf die Unversehrtheit der Privatsphäre Verfassungsrang hat – und nicht einfach für womöglich erleichternde Ermittlungen vorbeugend mit den Füßen weggetreten werden darf.

Und, was Plickert und ähnlich gestrickte Konsorten, von denen auch einige schon in Merkelschen Bundesregierungen saßen, ganz einfach ausblenden: Selbst mit den Möglichkeiten, die sie sich gerne wünschen, verhindern sie keinen Anschlag, denn die Auswertung im Nachhinein schützt niemanden. Sie würde die Sicherheit nicht einmal erhöhen, wenn sie bei der Aufklärung tatsächlich nützen würde. Aber noch nicht einmal das tut sie.

Die alte und bewährte Polizeiarbeit ist der Schlüssel: Menschen, die ihren Job und das Recht der Bundesrepublik Deutschland ernst nehmen, Menschen, die mit ihrem Kopf und ihrer Erfahrung ein Bild von der Gefährdungslage und den Gefährdern machen, die nach konkretem Verdacht Personen und Gruppen beobachten und dann konkret wissen, wo Gefahrenquellen lauern. Polizeiarbeit eben.

Diese Arbeit ermöglicht es, Anschläge zu verhindern. Aber auch sie bringt keine Sicherheit. Denn Sicherheit vor verblendeten Ideologien und Tätern bringt nur eine gerechtere Welt – eine Welt, in der nicht Europa große Teile Afrikas weiterhin nur wirtschaftlich ausnutzt, ohne dass die Menschen vor Ort profitieren. Das bereitet den Nährboden und das Ökosystem, in denen religiöser und anderer Fanatismus Menschen verleitet. Es entstehen pseudoreligiöse Gruppen, denen es allzuoft auch »nur« um Geld und Macht geht, um beispielsweise profitable Rohstoffverkäufe abzusichern.

So sind die Anschläge von Paris die Kehrseite der Bootsflüchtlinge. Die Ursache stammt jedoch aus der gleichen Ecke: die Ungerechtigkeit, die insbesondere seit Jahrhunderten von den europäischen Kernländern ausgeht und über die Welt gestreut wird, unseren Wohlstand mitbegründet hat. Noch heute wird dies mit Mitteln wie EU-Exportsubventionen und Co. aufrechterhalten. Und auch diese Ungerechtigkeit, dieser Unmut schwappt über unser Land. Die Unzufriedenheit mit den politischen Vertretern, mit den Medien und mit der eigenen Sprachlosigkeit in diesem Land zeigen sich bei den sich ausweitenden Demonstrationen rund um die Pegida-Bewegung.

Wollen wir wirklich zulassen, dass sich diese Unzufriedenheit auf Asylsuchende entlädt? Und wollen wir wirklich zulassen, dass wir für gefühlte Sicherheit an die elektronische Fußfessel 2.0 gelegt werden? Am Ende ist die Frage ganz einfach: Lassen wir uns von irgendwelchen Terroristen dazu bringen, unsere im Grundgesetz verankerten Grundwerte über Bord zu werfen und damit die Grundfesten der Demokratie? Dann hätten sie gewonnen.

10 Kommentare zu “Her mit der elektronischen Fußfessel 2.0

  1. Vor allem sind diese Anschläge auch die Kehrseite von Guantanamo und Abu Ghraib.
    Foltergefängnisse, in denen Menschen ohne Gerichtsverhandlung jahrelang festgehalten werden, müssen
    endlich geschlossen werden. Deutschland sollte das in der UN einbringen und diese sollte ALLE Länder, die derartige Gefängnisse betreiben, einschließlich der USA, scharf verurteilen und mit Sanktionen belegen.

    Solange Staaten der westlichen Welt selbst die Menschenrechte mit Füßen treten, solange werden junge Menschen in die Arme von Terrororganisationen getrieben. Wer befürchten muß, seines Namens oder seiner Herkunft wegen weggesperrt und rechtlos gemacht zu werden, der wird offen für die Hetze der Extremisten.

  2. Und nein, das ist KEINE Entschuldigung für die Taten der Terroristen – Mord bleibt Mord.

  3. Stimmig geschrieben.
    Aber es gibt immer ein paar Extremisten, wie z.B. der angebliche Innenexperte Uhl (CSU).
    Der hat die Gusnst der Stunde auch gleich genutzt, um für die VDS zu werben: http://px.ag/962251

  4. zarathustra

    moin

    bernd schreiner habe ich gelesen.

    es reicht mir zu erklären.

    warum ich pirat bin.
    warum ich demokrat bin.
    warum ich tolerant bin.
    warum ich antifachist bin.

    ponader, noccum, schlömer & co machen karriere mit blödsinn, der unbedauererlich ist.

    die machen karriere mit solchen aussagen und die piraten stehen dumm da.

    toll.

    z

  5. Ralf H. Badera

    Wir werden auch weiterhin mit dem pawlowschen Reflex von Uhl, Ziercke, Friedrich und de Maiziere belästigt werden, sobald sich ein Vorkommnis auch nur ansatzweise dazu verwenden lässt. So lange ihnen noch venrünftig denkende Leute einen Riegel vorschieben, ist alles in Ordnung – auch wenn in anderen Bereichen die Datensammelei weiter getrieben wird (eGK, eCall in Autos). Problematisch wird es erst dann, wenn die Überwachungsfront rhetorisch geschickt durch Angstmacherei eine ausreichend große Mehrheit hinter sich versammelt hat. Da müssen wir ansetzen.
    Übrigens wird von den Überwachungsbefürwortern immer gern angeführt, dass mit den Überwachungsdaten zwar erst hinterher Taten aufgeklärt werden können, aber dadurch potentielle Täter von vornherein abgeschreckt würden und gar nicht erst zuschlagen…

  6. danke – auch für diesen artikel!

  7. Frankreich

    In Frankreich gibt es seit 2006 die Vorratsdatenspeicherung.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Vorratsdatenspeicherung#Frankreich
    Die können die Daten 12 Monate speichern. Hat es geholfen?

  8. Es währe doch um ein vielfaches einfacher und auch effizienter gleich auf Vorrat erst einmal alle Menschen einzusperren. Damit währen alle Risiken ausgeräumt und die Beamten könnten sich nur noch auf das Verwalten konzentrieren. Wir leben doch jetzt schon in einer Zweiklassengesellschaft. Da gibt es das Volk, das arbeiten und bezahlen muss und da gibt es die Beamten, die für das Kapital das Volk unterdrückt und ausbeutet.

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